Die Fabrikglocke


Das Buch

Das Buchcover

Zopfi, Emil: Die Fabrikglocke. Vom Aufstand der Glarner Stoffdrucker gegen die Zeit. 374 g. 276 S. 2. A. 1991. Limmat Kartoniert. SFr. 34.00 ISBN 3-85791-190-5.

Zusammenfassung (Klappentext)

„Der Aufstand der Glarner Stoffdrucker gegen die Zeit – gegen die Fabrikglocke, die Anfang und Ende der Arbeitszeit signalisiert – war 1837 der erste Streik in der Geschichte der Schweiz. Emil Zopfi erzählt das dramatische geschehen in Form einer historischen Reportage, mit Spuren bis in die Gegenwart; er rekonstruiert die Geschichte anhand von Dokumenten der Zeit und als Schriftsteller, der die Wirklichkeit in den Textilfabriken aus eigenem Erleben kennt.“

Der Autor

Emil Zopfi

Autorenportrait von Urs Siegenthaler

Emil Zopfi, geboren 1943, studierte nach einer Berufslehre Elektrotechnik und arbeitet als Computerfachmann. Erwachsenenbildner für Informatik und Sprache. Autor von Kinder- und Jugendbüchern, Romanen (u. a. Jede Minute kostet 33 Franken, Computer für tausendundeine Nacht, Lebensgefährlich verletzt, Die Wand der Sila).

Anmerkungen von Martin Vögeli

Emil Zopfi hat wie Alfred Bruggmann (Texter von Globi) und meiner Wenigkeit am Technikum in Winterthur (heisst heute Zürcher Hochschule Winterthur) studiert. Dort gibt es in der Bibliothek noch eine original signierte Ausgabe von „Jede Minute kostet 33 Franken“ in Form eines Ringheftes, welche vom Autoren persönlich der Schule vermacht wurde – hab ich mir natürlich ausgeliehen und gelesen…

Der Aufsatz

„UHREN … sind die ersten autonomen Maschinen, die der Mensch gebaut hat, und bis zum Aufkommen des Computers sind sie auch die einzigen geblieben.“ Joseph Weizenbaum (Zitat am Anfang des Buches)

Thema 2 (Wortlaut leider unbekannt)

Martin Vögeli am Donnerstag, dem 6. Juni 1996 um 0730 Uhr, Klasse 3TC, Prüflingsnummer 037.

Der Sieg der Uhr ist ein schleichender. Wie der Computer heute (übrigens eine hochflexible Uhr) hat sie sich langsam in das Leben der Menschen gefressen. Sie ist nicht mehr wegzudenken … Für die Problematik der Zeiterfassung werde ich im Folgenden den Schnee als Metapher verwenden – es lässt sich bekanntlich nicht alles in Worte fassen, Bilder helfen da manchmal weiter!!!

Unsere Art die Zeit zu messen, wurde im Prinzip durch die Babylonier begründet. Sie teilen das Jahr in zwölf Monate und den Tag in 2×12 Stunden. Ihr Zahlensystem leiteten sie von diesem Mondjahr ab. Das Duzend hat sich zum Teil bis heute gehalten.

Lange Zeit lebten die Menschen nach dem Sonnentag: „Von der Erde aus gesehen, ist die Sonne der Zeiger der grossen Himmelsuhr. Früher, so sagt der Lehrer, haben die Leute den Tag nach der Sonne geteilt. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang zwölf Stunden, im Winter waren die Stunden kürzer als im Sommer.“ (S. 227m). Wäre auch eine Idee für unsere Zeit, der Zeit des „Stromsparens“. Im Winter arbeitet man seine acht „kurzen“ Stunden, im Sommer macht man acht „lange“ Stunden Ferien pro Arbeitstag.

Mit dem Beginn des Industriezeitalters gewann die Disziplin an Bedeutung. Zur genauen Kalkulation war es wichtig, die Abläufe im Betrieb mathematisch darstellen zu können. Die Arbeiter bei Zopfi bekommen dies in Form der Glocke zu spüren. Der harte Konkurrenzkampf macht diese Massnahme notwendig. Anderswo erledigen Maschinen die Arbeit. Schnell und zuverlässig tun sie dies – bei Tag und bei Nacht – wenn’s sein muss. Die an ihren eigenen Rhythmus gewöhnten Arbeiter rebellieren (Streik kannte man noch nicht – das Wort wenigstens). „Legler geriet ins Feuer. «Die Glocke gehört auf den Kirchturm, nicht aufs Fabrikdach. Oder meinen die Herren etwa, sie seien der liebe Gott selber?»“ (S. 95u).

Der reformierte Pfarrer predigt da anders von der Kanzel: „Er redet sich ins Feuer, wiederholt mehrmals den Satz des Paulus: «Schicket euch in die Zeit!» Und wird dann ganz deutlich. Wenn die Fabrikherren die Zeit bestimmen, mit Glockenschlag, so habe man sich darin zu schicken, denn auch sie gehörten zur Obrigkeit, auch sie seien von Gott gesandt, zum Wohle der Bürger.“ (S. 97u). Religion und Zeit – eine wichtige Verbindung, die bis heute gehalten hat. Sonntag ist Ruhetag. Sämtliche Landeskirchen stehen noch heute auf die Hinterbeine, wenn auch nur von einer leichten Lockerung des Sonntagsarbeitverbots die Rede ist … Der alte Egidius Trümpy, der Patriarch der Stoffdruckerei meint: „Die Glocke ist nicht die Zeit. Sie erinnert uns nur.“ (S. 209u). Zwar ist er schon etwas senil, aber er hat recht. Mit anderen Worten: „Der Schnee singt unter den Schritten der Menschen.“ (S. 7u)

Nach der Glocke kommt die Stechuhr, dann die Stempeluhr. Wem ist das Geräusch der betätigten Kontolleinrichtung nicht bekannt? Langsam kommt man weg von Akkordsystemen. Die Maschine erledigt einen schönen Teil der Arbeit. Der Mensch wartet und munitioniert sie. Zopfi hat meinen Gedanken Ausdruck verliehen mit den Worten: „Ich bin selber mitgezogen in diesem Strom, der sich tagtäglich auf die Industrien zuwälzt, stumm und fröstelnd. In der Erinnerung verschmelzen tausend Tage zu einem einzigen und zurück bleibt ein einziges Bild, ein einziges unbestimmtes Gefühl der Trauer, weil man etwas verloren hat, was nicht wiederzubringen ist: Zeit. Ein Teil unseres Lebens.“ (S. 7u). „Von tausend Schuhen ist der Schnee festgestampft.“ (S. 115u).

Von da an steht nicht mehr der schaffende Mensch im Mittelpunkt, sondern die Zeit indexiert die Leistung. Hier kommt der Computer ins Spiel. Unserer Tage steckt man und frau eine Karte ins Lesegerät – eine moderne Stupfuhr. Da jubelt das Herz des Managers: „Er bat mich in einen Nebenraum, zeigte mir den Computer, an den alle Kassen angeschlossen sind, der den Umsatz und die Arbeitszeit aller Angestellten erfasst. «Zeit ist Cash», sagt er.“ (S. 221u). Da kann ich nur sagen: „Der feuchte Schnee schluckt den Widerhall.“ (S. 139u). Wer sich einmal mit seinem Lohnempfängertum abgefunden hat, der wird sich für das Schlagwort unserer Zeit begeistern können: Flexibilisierung. Im Endeffekt ist es nur eine raffiniertere Methode uns die Zeit abzuknöpfen. Momo lässt grüssen…

Das Industriezeitalter gehört der Vergangenheit an. Dienstleistung ist gefragt. Dennoch werden uns die „Errungenschaften“ unserer Vorfahren wohl noch eine ganze Weile weiter beschäftigen. Dass Zeit etwas Relatives ist, dass wusste nicht nur Albert Einstein: „Wenn man im All schwebte und die Sonne immer sähe, währte das ganzen Leben nur eine einige Stunde. Es ist also alles eine Frage, wo man steht. In der Fabrik ist eine Stunde endlos lang, kurz dagegen ist die Nacht, kurz der Feiertag.“ (S. 227u). Gedanken der Farbköcherin Verena Schiesser?

So fügt sich das Ganze langsam wie ein Puzzle zusammen. Zwar fehlen gewiss noch Teile, doch die Konturen der Ökonomisierung der Zeit und einige Auswirkungen auf uns, den Menschen, sind bestimmt sichtbar geworden. Ist es nicht gerade dieses Stückwerk, welches uns den Drang nach vorne verleiht, ein weiteres passendes Stück zu finden, nur um zuzusehen, wie alles wieder in sich zusammenstürzt, um wieder von vorne anzufangen?

Und wenn die Erinnerung an meine Lehre verblasst, die Schlange vor der Stempeluhr am Ende der Blockzeit und die Mienen der Arbeiter werden mir stets vor Augen stehen!!!

Schlussbemerkungen (25. Januar 2003)

Dieser Aufsatz ist im Rahmen der Abschlussprüfungen der technischen Berufsmaturität in Frauenfeld entstanden. Leider habe ich mir damals nicht den Wortlaut des Themas notiert, ich weiss nur noch, dass es Thema 2 war. Eigentlich dürfte ich diesen Text gar nicht besitzen, aber ein guter Geist hat meinem Wunsch entsprochen und mir eine Kopie der Arbeit zugespielt.

Notenmässig sprechen wir hier von einer Sechs (also der bestmöglichen Note in der Schweiz). Auf der letzen Seite steht da geschrieben: Inhalt 6, Stil 6 und die daraus entstehende Note wird folgendermassen berechnet: 6 + 6 = 6. Nun kann man sich ja darüber streiten, wie man diese mathematische Gleichung interpretieren soll, aber für mich war damals nur das Endresultat entscheidend 😉

Linkliste

Das Buch Die Fabrikglocke

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baeschlin.ch Das Buch kaufen.
hyperkommunikation.ch Buchangaben und Klappentext
Christoph Blocher (SVP) [1|2] mag es 😉

Der Autor Emil Zopfi

google.com Google Web-Verzeichnis zu Emil Zopfi
limmatverlag.ch Die Biographie
svbbpt.ch Ein Autor der deutschsprachigen Schweiz
zopfi.ch Die Website von Emil Zopfi

Weiterführende Infos

inf.ethz.ch Beats Biblionetz: Eintrag zu Emil Zopfi
google.ch Eine grosse Linkliste
lgr.ch Ein Bild von der Fabrikglocke
wanderweb.ch Das harte Los der Fabrikler


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