Vögeli, Martin: eLearning: … und was kommen wird. In: ZHWinfo: Jahr der Technik / Armin Züger (Hrsg.). – 4000. Aufl. – Winterthur: ZHW, 25 (2005), S. 46 ff.
Dies ist der Abschluss der zweiteiligen Serie [1] zum Thema eLearning. Es geht darum, wie sich eLearning im weitesten Sinne in der Zukunft entwickeln und welchen Einfluss es auf unser Leben ausüben könnte. Bitte erschrecken Sie beim Lesen des Artikels nicht, es handelt sich dabei um einen Blick in die Kristallkugel – und wer glaubt schon an die Hellseherei?
Worte zu Beginn
Freuen Sie sich: Der Begriff eLearning ist ein Auslaufmodell. Das heisst aber nicht, dass seine Methoden und Technologien verschwinden. Sie werden – wie es Mail, Mobiltelefone und USB-Sticks auch taten – Bestandteile des Alltags und das „e“ ist somit selbstverständlich geworden.
Aber wagen wir jetzt einen Zeitsprung von zehn Jahren und sehen wir uns an, wie – oder besser was? – die hochinformierte Gesellschaft der Zukunft lernen wird. Dafür müssen wir uns zuerst mit der Computertechnik, über die wir dann verfügen werden, ins Bild setzen.
Das Jahr 2015
Die Genetik gibt den Menschen im Jahr 2015 ungeahnte Möglichkeiten unser Gehirn zu verstehen [2]. Im Schlaf, wie in Aldous Huxleys „Brave New World“, kann man zwar noch nicht lernen. Aber die Pharmazeutik vertreibt Medikamente, die das Lernen erheblich erleichtern [3].
Auch Computer sind nicht mehr was sie mal waren. Die unförmigen Kisten sind verschwunden – zumindest sieht es auf den ersten Blick so aus… „Wearable Computing“ heisst das Stichwort: Die ganze Technik ist in Kleidung und Accessoires untergebracht. Das könnte etwa so aussehen [4]:
Ein Mikrophon in einer Zahnfüllung dient als sprachliches Eingabegerät, visuelle [5] oder motorische [6] Informationen können zudem gedanklich über ein MRI [7] im Kopfband erfasst werden. Das Ausgabegerät „Brille“ projiziert Videodaten auf die Retina und dient zudem als Stereokopfhörer.
Die Datenverarbeitung geschieht in einer Art „Smart Phone“ der x-ten Generation. Es vereint leistungsstarken Computer, Telefon, Agenda, Kamera, GPS, Personalausweis sowie Bargeld, ist immer online und verfügt über diverse (kabellose) Verbindungsmöglichkeiten zu anderen Geräten.
Lernen im 2015
Es stellt sich nicht nur die Frage, wie wir im Jahr 2015 lernen, sondern vor allem auch was. Insbesondere gedenk der allgegenwärtigen Verfügbarkeit des gesammelten Wissens der Menschheit [8] und des einfachen und unmittelbaren Zugangs [9] dazu, was muss man da schon noch wissen?
Wir lernen meist „just in time“ und aktiver, als es in der Vergangenheit der Fall war. Niemand muss Faktenwissen büffeln, es steht ja nur einen Gedanken entfernt perfekt aufbereitet [10] bereit. Viel wichtiger sind schnelle Auffassungsgabe, Bewertung und Verarbeitung von Informationen.
Jetzt zeigt sich aber schon heute, dass „Informationsmanie“ schlecht [11] für die grauen Zellen ist. Deshalb wird das Lernen möglichst aktiv gestaltet, um den „Hirnmuskel“ zu trainieren. Dies geschieht beispielsweise durch realitätsnahe Simulationen [12], Fallstudien oder auch Gruppenarbeiten.
Die dafür notwendige Kommunikation basiert auf multimedialen Werkzeugen, die genau auf die Bedürfnisse des jeweiligen Anwendungsfalls zugeschnitten sind. Örtlich getrennte Besprechungen finden in virtuellen Räumen statt, die nur schwer von der Realität zu unterscheiden sind.
Ängste und Gefahren
Lernfreiheit und Lehrfreiheit sind wichtige Errungenschaften unserer Kultur, aber schon George Orwell beschrieb in „1984“ einen Überwachungsstaat, der mit wesentlich einfacheren technischen Mitteln agierte, als sie 2015 „Big Brother“ zur Verfügung stehen werden.
Computer können nicht nur immer mehr Daten speichern und verarbeiten, sondern ihre Programme werden auch intelligenter: So können sie logische Schlussfolgerungen ziehen [13] oder interagieren [14] mit uns Menschen. Anders formuliert, wir bringen ihnen bei zu denken – sie lernen!
Das hingegen weckt viel tiefer liegende Ängste. Sie materialisieren sich in SciFi-Filmen wie „Matrix“ und „Terminator“, in denen Maschinen die Herrschaft übernehmen, oder „I, Robot“ und „Artificial Intelligence: AI“, wo sie über Phantasie, Emotionen ja gar Bewusstsein verfügen.
Es stellt sich die Frage, was wir alles an die „Denkmaschinen“ delegieren können und wollen ohne übermässig unselbständig und abhängig zu werden. Ein gutes Verhältnis Mensch-Technik ist also gesucht. Es wird uns nichts anderes übrig bleiben, als dies von Fall zu Fall neu zu entscheiden.
Fazit und Schlussfolgerung
Die Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) eröffnet uns viele neue Möglichkeiten, die wir nutzbringend z.B. im begleiteten Selbststudium einsetzen können, aber nicht um wie bis anhin Wissensberge anzuhäufen, sondern um Informationen sinnvoll zu verwerten.
Das Lernen und Denken bleibt auch in der Zukunft harte „Knochenarbeit“. Spass am Neuen und Unbekannten sowie dem Treffen von Entscheidungen müssen wir uns auch weiterhin erhalten, um nicht wie Goethes „Zauberlehrling“ ein Opfer der Geister zu werden, die wir riefen…
zhwinfo N°12 „E-Learning an der ZHW“
Fussnoten
[1] Vögeli, Martin: eLearning: Was war, ist und … In: ZHWinfo: Lebenslanges Lernen / Armin Züger (Hrsg.). – 4000. Aufl. – Winterthur: ZHW, 24 (2005), S. 52 ff.
[2] Tomlin, Ross: A puzzle piece found in unraveling the wiring of the brain (April 20th, 2005, last update), (May 18th, 2005)
[3] Motluk, Alison: New drug offers jitter-free mental boost (May 5th, 2005, last update), (May 18th, 2005)
[4] Maurer, Hermann: Die weitere Entwicklung von PCs und deren Auswirkung auf E-Learning und unser Leben (5. November 2004, letzte Aktualisierung), (18. Mai 2005)
[5] NewScientist.com: Mind-reading machine knows what you see (April 25th, 2005, last update), (May 18th, 2005 )
[6] LiveScience.com: Monkeys Brains Alter to Work Robotic Arm (May 10th, 2005, last update), (May 18th, 2005)
[7] Magnetic Resonance Imaging
[8] Roush, Wade: The Infinite Library (April 30th, 2005, last update), (May 18th, 2005)
[9] Sherman, Chris: If Search Engines Could Read Your Mind (May 11th, 2005, last update), (May 18th, 2005)
[10] Patch, Kimberly: Memory mimic aids reading (May 4th, 2005, last update), (May 18th, 2005)
[11] NewScientist.com: ‚Info-mania‘ dents IQ more than marijuana (April 22nd, 2005, last update), (May 18th, 2005)
[12] The Guardian: War games (April 19th, 2005, last update), (May 18th, 2005)
[13] Knight, Will: Computer generates verifiable mathematics proof (April 19th, 2005, last update), (May 18th, 2005)
[14] Mullins, Justin: Whatever happened to machines that think? (April 23th, 2005, last update), (May 18th, 2005)